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  • AutorenbildRomy

7 Stunden und 37 Minuten

Aktualisiert: 8. Mai 2021

Rekorde faszinieren mich. Vor allem diese besonderen, sinnundeutlichen Glanzleistungen wie “Fünf Menschen auf einer Rikscha an Tränensäcken ziehen”. Oder “In einer Minute 80 Eier mit dem Kopf zerdrücken”. Ich frage mich, ob das Guiness-Buch der Rekorde von 2020 doppelt so dick ist wie sonst. Zeit genug, uns irgendwas Dämliches auszudenken, hatten wir ja.


Also habe ich ein bisschen recherchiert und mir sogar ein Benutzerkonto eingerichtet, um die Suchmaschine der “Guiness World of Records” so richtig auf Touren zu bringen. Bei all den abenteuerlichen Rekorden habe ich dann auch mal geguckt, ob es da irgendwo eine Kategorie zur längsten Bildschirmzeit am Handy gibt. Wollte nur mal wissen, ob ich in dieser Pandemie-Saison ernstzunehmende Konkurrenz habe.


Frau telefoniert und schreibt am PC. Kind steht im Hintergrund

Denn anscheinend steigt meine Verweildauer am Smartphone mit jedem weiteren Tag, den ich im Lockdown vor mich hin friste. Mein Handy erscheint mir auf jedenfall unheimlich stolz und selbstgerecht, denn es weist mich jeden Sonntagabend darauf hin, dass ich eigentlich gar kein Leben ausserhalb der digitalen Flimmerbox führen kann.


Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn die Benachrichtigung zur Bildschirmzeit kommt... 7 Stunden und 37 Minuten... Eine verdammt krasse Zahl, für die ich mich ausserordentlich schäme. Und zwar ganze 2 Sekunden lang, denn ich muss auf meinem Handy unbedingt nachgucken, ob ausserordentlich vielleicht doch eher mit einem „ß“ geschrieben wird (wird es, hab gegoogelt).


Punkte-Abzug auf dem Mama-Konto


Mir ist schon klar, wie das klingt. Die olle Tante glotzt nonstop auf ihr Handy und kriegt nicht mit, dass ihre Kinder einen lautstarken, feuchtfröhlichen Wettbewerb im Kernseife essen veranstalten... Klar bin ich oft auch abgelenkt. Aber ich hab schon gemerkt, dass mir jetzt drei Stück Seife fehlen. Und dass eine sehr nasse Pfütze aus dem Gäste-Bad in den Flur schwappt. Trotzdem gibt das natürlich Punkte-Abzug auf dem Mama-Konto.


Zu meiner Verteidigung: Wenn alle schlafen, studiere ich auf Amazon Prime Video Notfall-Medizin. Dank „Emergency Room“ könnte ich also Leben retten und ohne zu Würgen sogar eine Thorax-Drainage legen. Alternativ tippe ich die unheimlich spannenden Geschichten, die ihr hier lesen könnt, in mein Handy rein und sorge für einen sehr einseitigen Erfahrungsaustausch. Damit kommen also wieder einige Pluspunkte aufs Mama-Konto.


Einen weiteren halben Punkt kriege ich bestimmt, weil meine Kinder ein bisschen von meinem Handy-Konsum profitieren. Wir videotelefonieren zum Beispiel total viel mit Oma und Opa. Oder wir befolgen Online-Bastelanleitungen, damit wir es an Ostern schön bunt haben. Ohne Smartphone wären wir doch total aufgeschmissen. Schon mal planlos auf eine Origami-Narzisse fürs Fenster hingefaltet? Nein? Sieht aus wie der Todesstern mit Gürtelrose.


Trotz all der entkräftenden Argumente beißt mich mein schlechtes Gewissen. Mein Handy und ich versuchen jetzt also gemeinsam abzunehmen. Von Woche zu Woche so um die 7,5 Prozent. Ich gehöre dann zwar nicht mehr zu den Rekordhaltern im Hypnotisieren von Smartphones. Und freilich müsste ich dann auf Amazon und die vielen Online-Bastelanleitungen verzichten. Aber ich könnte an Ostern statt zu falten mit den Kindern auch einfach Eier mit dem Kopf zerdrücken.

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