Von der Werbung zum Handwerk
- Romy von kokodu
- 25. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Wo gehobelt wird, da fallen Späne. In meinem Fall entspricht das exakt meiner neuen Arbeitsstätte. Fernab von Video-Calls, Kreativ-Chaos und Abgabe-Stress kreischt bei mir nicht mehr das innerliche Nervenkostüm, sondern die Plattensäge nebenan. Krass laut, penetrant und immer im Crescendo-Style. Wer hätte gedacht, dass mich dieser Klang einmal so entspannt wie eine Meditation im klassischen Schneidersitz. Ich arbeite jetzt in einer Schreinerei. Und was soll ich sagen: Ich liebe es!
Sicher, die Zeit in der Agentur war prima. Aber Corona und die familiäre Situation haben doch einiges verändert und mich aus dem Konzept gebracht. Mit 3 Kids und einem 30-Stunden-Job in Köln war die Organisation für mich Mist. Die Arbeit von zuhause aus gestaltete sich auch nur semi-gut, denn ein Austausch vor Ort im Team ist einfach effektiver. Die Kreativität war schließlich auch auf der Strecke geblieben. Kurzum: Ich wollte am Ende einfach nur noch einen Job, bei dem ich kopieren und Kaffee kochen konnte.
Kleine Stellenanzeige mit Folgen
Die Stellenanzeige einer lokalen Schreinerei hatte schließlich meine Aufmerksamkeit geweckt. Ganze vier Aufgaben musste die gesuchte Bürokraft erfüllen: Kunden anlegen, abrechnen, telefonieren und Zeiten erfassen. Das war ein bisschen mehr als Kaffee kochen, aber sicher schaffbar. Also bin ich zum Vorstellungsgespräch. Meine Erwartungshaltung: Schnelle Nummer, halb so viel Gehalt.
Das Gespräch dauerte am Ende zweieinhalb Stunden. Die Firma hatte sich von jetzt auf gleich personell verdoppelt und es mussten neue Strukturen her. Das fand ich unheimlich spannend. Es gab am Ende so viel mehr zu tun als vier Aufgabenbereiche. Und ich fühlte mich dem gewachsen. Meine Fahrtzeit schrumpfte auf 8 Minuten, Homeoffice war bei Bedarf möglich und die Vergütung sollte gleich bleiben. Also habe ich den Werbealltag an den Nagel gehängt und mich in den administrativen Bereich hineingewurschtelt. Wie sich herausgestellt hat, bin ich besser im Planen, verwalten und vorbereiten als im Kaffeekochen. Fragt meine geschätzten Kollegen - die empfehlen mich in dieser Hinsicht eher nicht weiter.
Als einzige Frau in einem Handwerksbetrieb mit 16 Männern ist mir mittlerweile ein Bart gewachsen. Schließlich ist das Arbeitsumfeld natürlich anders als in einer Agentur. Ich habe gelernt, dass man bei all der Political Correctness auch einfach die Kirche im Dorf lassen kann. Oder dass bei all der Hektik durchaus im 67 dB-Bereich gebrüllt wird, ohne, dass es danach einer psychologischen Betreuung bedarf. Bei uns wird Mett mit dicken Zwiebeln gegessen und nach Feierabend auch mal ein Bier getrunken. Es wird geschwitzt, offen über Klogänge gesprochen und mit dreckigen Fingern aus Haribo-Tüten gegessen.

Ich bin jetzt Teil eines Teams, das Dinge erschafft und erledigt, die wirklich gewollt sind. Menschen bezahlen gutes Geld für heftige Möbel, Haustüren, Fenster und Reparaturen. Manchmal darf ich selbst sogar auf Knöpfe drücken und eine Maschine bedienen, die so groß ist wie mein Wohnzimmer. Ich besitze sogar Arbeitsschuhe mit Stahlkappen und gucke online manchmal heimlich nach schicken Latzhosen und pinkem Werkzeug. Denn wer weiß: Sollte ich jemals zu einem Einsatz müssen, dann sehe ich wenigstens prima dabei aus!
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