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AutorenbildRomy

„Hab keine Angst um deinen Job!“

Aktualisiert: 8. Mai 2021

“Chef, die/der Isabella/Pippa/Ari hat schon wieder Schnupfen. Ich kann heute leider nicht ins Büro!” Gottseidank kann ich meinem Chef eine Textnachricht schicken, denn ich stelle mir vor, wie er vom ganzen Augenrollen schon anfängt zu schielen. Zwischen Oktober und März bringe ich diesen Spruch bei drei Kindern alle eineinhalb Wochen. Es wundert mich nicht, wenn der Chef dann bockt.



Tut er aber nicht. Der Chef erträgt es tapfer und wünscht gute Besserung. Vielleicht genießt er aber auch einfach die Ruhe im Großraumbüro, denn die halbe Belegschaft feiert “Kind krank”. Wir Eltern teilen das Schicksal des schlechten Gewissens - ein bisschen Rückendeckung im Job nimmt uns da schon mal 70 Prozent des Drucks.

Manche Eltern haben Angst um die Stelle


Die Eltern in meinem Umfeld machen unterschiedliche Erfahrungen. Manche sind happy, andere haben Angst um die Stelle. Unter Eltern sprechen wir offen über die “Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz”. Weniger offen sind wir mit unseren Vorgesetzten. Wir dürfen die Chefs mit unseren Wünschen nach Homeoffice, Kita-Zuschuss oder Stundenreduzierungen schließlich nicht überstrapazieren.

Trotzdem will ich gerne wissen, was die Vorgesetzten so denken, wenn man zum 15. mal rumheult, dass die Kita einem wegen 37,5 Grad den Zutritt verweigert hat. Also habe ich meinen Chef gefragt. Philipp, Inhaber einer kleinen Agentur in Köln, hat 12 Mitarbeiter, von denen 7 Familie haben:

Romy: Hallo Philipp! Wie ist das so, wenn wir Eltern uns gleichzeitig wegen diverser “Wehwechen” unserer Kids morgens bei dir abmelden? Philipp: Hallo Romy! Da hatte ich bisher wohl Glück, bisher waren die Kids eher abwechselnd krank. Natürlich war auch schon die ein oder andere Woche dabei, in der sich Krankmeldungen gehäuft haben - das betraf dann aber alle mit und ohne Kinder. Grundsätzlich unterstelle ich, dass niemand gerne krank ist oder vorgibt, krank zu sein, um frei zu haben. Warum soll ich mich dann darüber aufregen? Muss man bei dir Angst um den Job haben, wenn man zur Hand-Mund-Fuß-Saison mal nicht so gut performt? Deshalb muss bei mir niemand Sorge um den Job haben. Ich glaube nicht, dass man sich gleichzeitig um ein krankes Kind und um seine Arbeit kümmern kann. Von daher ist es mir lieber, du kümmerst dich erst mal nur um dein Kind; und wenn es wieder möglich ist, voll um deine Arbeit.


Mann mit Brille lehnt an Wand

"Eltern sind nicht unbedingt die besseren Stress-Manager"

Sind Eltern nicht auch praktische Mitarbeiter, weil sie gute Stress-Manager sind und immer die besten Smarties-Kuchen mit zur Arbeit bringen? Ok, mal gucken, ob ich mich jetzt unbeliebt mache. Ja, ich denke schon, dass Eltern viele Stress-Situationen erleben. Und ja, ich denke auch, dass das wertvolle Erfahrungen für den Agenturalltag sind. Aber so unterschiedlich wie die Menschen nun mal sind, lernt die eine eben mehr daraus und der andere weniger. Daher würde ich nicht pauschal sagen, dass alle Eltern bessere Stress-Manager sind. Würdest du dich selbst als einen familienfreundlichen Arbeitgeber bezeichnen? Ja, ich denke schon. Ich halte mich für durchaus verständnisvoll bezüglich der Situation der Eltern, auch wenn ich selbst keine Kinder habe. Ich versuche durch viele Freiheiten im Job und einen eindeutigen Rückhalt bei Krankheit allen eine größtmögliche Sicherheit zu geben. Ich will zufriedene Mitarbeiter:innen haben, die sich wegen ihres Jobs keine Sorgen machen müssen, wenn das Kind krank ist.


Um alle Mitarbeiter:innen zu berücksichtigen, die keine Kinder haben: Wie schaffst du den Ausgleich? Das ist schwierig. Ich hatte natürlich schon mal die Situation, dass jemand zu mir kam und nach Extra-Urlaub gefragt hat, weil er oder sie keinen einzigen Krankheitstag im Jahr hatte. Ich frage dann trotzdem erst mal zurück, ob ich auch Tage abziehen darf, falls jemand mal mehr Krankheitstage als die anderen hat. Also gleiches Recht für alle – auch für den Chef. Mir ist die Aufteilung in Eltern/Nicht-Eltern einfach zu pauschal. Genauso können ja auch gesundheitliche Probleme dazu führen, dass jemand in der Arbeit unerwartet ausfällt. So oder so müssen wir gucken, wie wir die Arbeit auf den Rest aufteilen. Wie fair das klappt, können die anderen besser beantworten.

Wie stehst du zum Thema “Homeoffice”? In einer Agentur läuft ja nix ohne Meetings und Schwätzchen am Kaffeevollautomaten. Vor Corona war Homeoffice eher die Ausnahme. Inzwischen können alle von zuhause aus arbeiten. Für die Zeit nach der Kontakteinschränkung müssen wir intern noch diskutieren, wie eine gesunde Aufteilung zwischen Homeoffice und Büropräsenz aussieht. Derzeit tendiere ich zu einem festen Tag im Büro pro Woche. Wichtig ist mir, dass die Projekte laufen und die Kollegen miteinander kommunizieren. Mal unter uns: Hast du bei einem Stellengesuch eine Bewerberin ausgesiebt, weil die Person kleine Kinder hat oder... sagen wir - gebärfreudigen Alters ist? Nein, weder noch. Unter uns: Ich habe Bewerber:innen schon mal ausgesiebt, weil sie mir zu sehr nach Rauch gerochen haben … Aber ansonsten ist es mir egal, wie die Umstände sind, solange die- oder derjenige klar denken und grundsätzlich arbeiten kann. Wenn du nachfragen dürftest, würdest du nach der Familienplanung fragen? Nein, das interessiert mich nicht, da ich eh nie weiß, ob mir jemand die Wahrheit sagt. Und selbst wenn jemand aktuell keine Kinder einplant, dann aber doch Nachwuchs erwartet, kann ich ja auch nichts machen. Ich sehe das Thema Familienplanung eigentlich entspannt: Et kütt wie et kütt.



"Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir das schon alles irgendwie hinbekommen."

Was denkst du wirklich, wenn eine Mitarbeiterin zu dir kommt und sagt: “Chef, ich bin schwanger”! Ich freue mich natürlich für die Mitarbeiterin und gratuliere erst mal. Klingt vielleicht blöd, aber dann ist das so ähnlich wie bei Krankheitstagen, nur mit mehr Vorlauf: Was muss ich jetzt tun, damit wir auch künftig die Arbeit erledigt bekommen? Je öfter ich das erlebt habe, umso entspannter bin ich da geworden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir das schon alles irgendwie hinbekommen.

Thema “Führungspositionen”: Du bist ja selbst Chef. Kannst du dir in deiner Position eine Teilzeitstelle bzw. einen pünktlichen Feierabend vorstellen? Mein Umfeld wird jetzt sicherlich lachen, aber ja, vorstellen kann ich mir das. Die Realität sieht da noch etwas anders aus, aber das liegt dann eher daran, dass ich noch den richtigen Weg suche, mich zu organisieren. Das ist aber ein Riesenthema für sich. Gemeine Frage: Bist du zufrieden mit deinen Mitarbeitern? Einfach Antwort: ja. Wenn ich grundsätzlich nicht zufrieden bin mit jemanden, suche ich auch das Gespräch. Umgekehrt bin ich mir aber auch sicher, dass sich auch die Mitarbeiter:innen immer mal wieder über mich ärgern. Und ich hoffe, dass sie mir dann auch Bescheid geben und das nicht in sich hineinfressen.

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