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  • AutorenbildRomy von kokodu

Ich werde Astronautin

Ich habe mich hier darüber beschwert, dass ich bislang noch nichts gefunden habe, das ich so richtig gut kann. Jetzt sehe ich, dass die European Space Agency (ESA) neue Astronauten sucht. Expliziter: Astronautinnen. Denn die sind zumindest in Europa rar. Deutschland hat bislang noch keine Astronautin auf die Internationale Raumstation (ISS) geschickt. Wird also langsam Zeit, dass endlich eine Frau das Land der guten Kartoffeln vertritt. Ich als Europäerin, Deutsche und Fritten-Freundin nenne das Schicksal. Denn genauso wie die Astronautin im All bin ich auf der Erde als Mutter eine Viel-Managerin, die nicht nur hervorragend mit Stress umgehen kann. Ich muss mich auch ständig damit auseinandersetzen, dass ich als Frau einfach anders ticke als ein Mann.

Gemaltes Kinderbild mit Astronautin, einer Rakete und dem Schriftzug "Mama"
Mein Sohn zweifelt nicht daran, dass ich es schaffen könnte. Für ihn bin ich längst die Mamanautin.

Jetzt frage ich mich, ob ich vielleicht gerade deshalb eine geeignete Kandidatin für den Job bin. Ich bin gerne bereit, meinen Körper für die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen. In dieser Hinsicht profitieren bislang ja eher die Männer von den Erkenntnissen aus dem All. Denn die experimentieren da oben schön mit Prostata und XY-Chromosom. Wir Ladys könnten einfach noch mehr Input für die Frauenmedizin gebrauchen. Warum sollte ich mich und meine Skills also nicht auch ins Rennen schicken?


"All" in: Advokatin für Frauenthemen

Mein Ziel ist also klar: Ich werde Astronautin. Als solche könnte ich da oben so einiges bewirken. Zum Beispiel ein Heilmittel gegen das niederträchtige prämenstruelle Syndrom finden. Oder die Beschaffenheit meines Winkefleischs in der Schwerelosigkeit untersuchen... und eine nicht-invasive Lösung gegen gravitative Massenbewegungen anstoßen. Lauter wichtige Dinge halt, die bis jetzt vielleicht zu kurz gekommen sind. Was mich persönlich sonst noch am Astronautenjob reizt: der gesunde Abstand von 400 km zum Driss auf der Erde. Kein Gebrüll, kein Geschrei, keine Diskussionen um Tomatenstücke in der Tomatensoße.

Die Vorstellung, dass ich während meiner Mission ein halbes Jahr einfach mal meine Ruhe habe und was richtig Sinnvolles tue klingt so verlockend, ich bin hochmotiviert, ein Anschreiben zu verfassen. Damit jenes nicht direkt im Schredder landet, bitte ich meinen sehr guten Freund Jules Grandsire um ein paar mehr Infos und Insider-Tipps. Jules ist Chef der Internen Kommunikation der ESA und vermarktet die ganz Großen. Aber auch die haben ja mal klein angefangen.


Lieber Jules. Die Liste der Vorraussetzungen für die Bewerbung als Astronaut:in ist lang. Das meiste kriege ich hin. Ich bin allerdings keine Wissenschaftlerin. Du kennst mich gut. Welche meiner Fähigkeiten können das ausgleichen?

Hallo Romy! Du solltest schon einen Hochschulabschluss in Naturwissenschaften oder Medizin haben. Du kannst auch Ingenieurin oder Pilotin sein. Aber viel wichtiger sind persönliche Qualitäten wie Empathie, Toleranz, die Fähigkeit, unter Stress die Ruhe zu bewahren und neugierig zu sein. Das trifft ja schon mal alles auf dich zu. Außerdem solltest du gerne neue Dinge lernen. Denn als Astronautin wirst du in viele Wissensgebiete eintauchen.


Vier Frauen jubeln Jules Grandsire zu, Kommunikationschef der European Space Agency, beim Start des deutschen Astronauten Alexander Gerst
Weltraumforschung hat viele Fans. Jules Grandsire hat mindestens vier. Hier beim Launch von Astro-Alex 2014.

Die ESA spricht bei der Suche explizit Frauen an. Gibt es eine Frauenquote, die mir vielleicht in die Karten spielt?

(schmunzelt) Das ist jetzt vielleicht ein bisschen Pech für dich, aber wir haben uns gegen eine Frauenquote entschieden. In unserem Auswahlprozess spielt das Geschlecht oder die Nationalität keine Rolle. Die Bewerbungsphase ist für Frauen und für Männer gleichermaßen schwer. Verlass dich bei deiner Bewerbung nicht auf die Frauenquote. Verlass dich auf deine Qualitäten!


In Deutschland liegen noch keine Forschungsergebnisse aus medizinischen Selbstversuchen zum weiblichen Körper im All vor. Auf welche Experimente muss ich mich als Astronautin einstellen?

Per se gibt es keine deutschen Forschungsergebnisse, das ist richtig. Aber wir haben bis jetzt insgesamt über 3000 Experimente mit internationaler, auch deutscher Beteiligung abgearbeitet, die wir mit der Welt teilen. Es stimmt, dass die Astronauten da oben auch als Versuchskaninchen herhalten. Es ist schließlich eine große Chance, gesunde Körper im All zu erforschen. Als Astronautin werden dir zum Beispiel Blutproben entnommen, EKGs gemacht, dein Schlaf und deine Nahrungsaufnahme dokumentiert, deine Augen und dein Gehirn gecheckt. Es ist schon total interessant zu wissen, was mit deinem Körper passiert, wenn er sich plötzlich in Schwerelosigkeit befindet.

Wenn du deinen Fähigkeiten vertraust, mit Leidenschaft arbeitest und keine Angst hast, ab und zu um Hilfe zu bitten, kannst du im Job vieles erreichen!
Jules Grandsire, Chef der Internen Kommunikation der European Space Agency
Jung, gutaussehend, Single. Jules Grandsire, Chef der Internen Kommunikation der European Space Agency (ESA).

In der Weltraumforschung sind viele Frauen tätig. Welche Frau hat dich bislang am meisten beeindruckt und warum? Puh, es gibt viele Frauen in der Weltraumforschung, die mich beeindrucken. Da gibt es viele, an die ich gerade denke. Besonders beeindruckt bin ich von meiner ESA-Kollegin Kate Underhill. Kate ist Mitte 30, Mutter, und leitet die Entwicklung der Raketenmotoren von morgen. Ihr aktuelles Projekt ist zum Beispiel die Ariane 6. Wenn man Kate so sieht und erlebt, wird vielleicht zuerst unser sprichwörtliches Bild des typischen Raketeningenieurs in Frage gestellt. Und das ist gut so. Sie beweist, dass man als Frau und Mutter sehr wohl in einem von Männer dominierten Beruf Großes leisten kann.


Ich habe bis auf meine Rückbildungsgymnastik lange keinen Sport gemacht. Was muss ich tun, um den Fitnesstest zu bestehen?

Du musst auf jedenfall schon mal keine Hochleistungssportlerin sein, wenn dich das beruhigt. Du musst vor allem gesund sein. Denn dein Körper und dein Immunsystem werden lange hohem Stress ausgesetzt und du verlierst Muskelmasse. Verbessere deine Kondition, mach Kardio-Training, aktiviere deine Tiefenmuskulatur und behalte das Training im All bei, damit du nach deiner Landung möglichst schnell wieder auf die Beine kommst.

Gegen wie viele Bewerber:innen muss ich mich schätzungsweise durchsetzen?

Wir haben bis jetzt Tausende an Bewerbungen bekommen – und es werden bis zum 18. Juni noch eine Menge folgen. Das sollte dich aber nicht verunsichern: Wenn du für den Job gemacht bist, dann solltest du dich bewerben. Und selbst, wenn es am Ende doch nichts wird… schon der Bewerbungsprozess ist eine Erfahrung für sich.


Die Betreuung meines Mannes und meiner Kinder ist durch den Umzug meiner Eltern in die direkte Nachbarschaft gewährleistet. Wie oft im Jahr bin ich garantiert weg?

(lacht) Ich kann dir keine genaue Zahl nennen. Aber du wirst garantiert viel unterwegs sein und in die USA, nach Russland, Europa, Japan und Kanada reisen.


Als Astronautin kannst du auch Familie haben, klar. Das ist alles Organisationssache. Wie in manchen anderen Berufen auch.

Und kann eine Astronautin gleichzeitig Mutter sein?

Es ist durchaus möglich, den Job auch als Mutter zu leisten. Guck dir viele NASA-Astronautinnenan oder unsere ESA-Astronautin Samantha Cristoferetti. Sie wird im kommenden Jahr erneut ins All reisen und kriegt den Spagat zwischen Job und Familie sehr gut hin.


Ich leide ein bisschen an der Reisekrankheit. Was passiert, wenn mir in der Rakete unter der Haube schlecht wird?

Da geht es dir so wie mir. Ich leide auch an Reisekrankheit. Aber nur, wenn ich mit dem Schiff reise. Dafür gibt es Astronauten, die keine Probleme haben auf hoher See, aber die systematisch im All krank werden. Wenn dir als Astronautin schlecht werden sollte, kriegst du gute Medikamente. Und nach einigen Tagen in Schwerelosigkeit hat sich dein Körper sowieso angepasst.

Was verdiene ich als Astronautin?

Eine Astronautin bekommt in der Anfangszeit genauso viel wie ein ESA-Ingenieur zu Beginn der Karriere. Die genauen Zahlen kannst du auch in der Tabelle der Koordinierten Organisationen einsehen (wie auch z.B. OECD oder NATO). Die ESA bezahlt ihre Astronauten zunächst nach A2-A4. Das sind ungefähr 5000 Euro im Monat.

Aus persönlichem Interesse: Kann ich auch während meiner Mission beim Black Friday bei Amazon bestellen?

(lacht) Klar kannst du ein bisschen surfen an Bord der Raumstation. Aber wenn ich du wäre, würde ich den Online-Einkauf an jemanden am Boden delegieren. Du könntest mich zum Beispiel fragen. Wenn du was brauchst, besorge ich das gerne für dich.


 

Du willst es ganz genau wissen? Guck dir diese Videos an:

"Your Way to Space" - Das offizielle Promo-Video zur Ausschreibung


Wie werde ich Astronaut:in?


Wo bewerbe ich mich?

Du kannst dich bis zum 18. Juni 2021 bei der European Space Agency bewerben. Hier gelangst du zu offiziellen Stellenausschreibung.

 



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